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MEINE HÜTTEN IM YUKON – TEIL II

FOX LAKE CABIN II

Lake Laberge und Yukon River

Wer neu im Yukon ist, oder erstmals ein ihm bis dahin unbekanntes Gewässer befischen und den Erfolg seines Angelvorhabens sicher stellen will, der ist gut beraten, sich in die Obhut eines professionellen Guides zu begeben. Der Guide besitzt alles, was der Neuling nicht hat: Erfahrung, Ortskenntnis, das Wissen, wann, wo und wie welche Fische zu fangen sind, und er hat selbstverständlich auch die entsprechende Ausrüstung dazu. Das alles hat natürlich einen, nicht ganz geringen, Preis. Doch hat schon mancher, dem noch am Morgen 500,– kanadische Dollar für einen Tag Guiding als zu hoher Preis erschienen waren, am Abend, wenn er nach einem aufregenden Fischtag mit einer zuvor nicht für möglich gehaltenen Ausbeute an Fischen und Erlebnissen wieder heil und sicher aus Gebieten zurückgebracht worden ist, die er allein auf sich gestellt, nie erreicht hätte, einsehen müssen, dass manches mit Geld einfach nicht zu bezahlen ist. Nur wenige Autominuten von unserer Hütte am Fox Lake entfernt liegt der riesige Lake Laberge, in den an seinem Südende der mächtige Yukon River einmündet, um ihn an seinem Nordende nach gut 30 Meilen wieder zu verlassen. Hier wollten wir die großen See-Namaycush-Saiblinge fangen.

Schon von Deutschland aus hatten wir per Internet Rob Hewer, Chef und Guide des Unternehmens „Spirit of the North Guides“, für diesen Fischtag gebucht. Wir trafen ihn, wie verabredet, in einer kleinen Seitenbucht des Sees, wo sein Boot lag. Alles an ihm erweckte vom ersten Augenblick an einen Eindruck von Gediegenheit und Zuverlässigkeit. Dasselbe galt auch für sein Boot, das mit allem ausgestattet zu sein schien, was für einen Wildnistrip vonnöten war. Sogar das Bären-Frühwarn-System in Gestalt einer hell-beigen Retriever-Hündin namens Kathy war vorhanden. Beim Einladen stellten wir fest, dass es gar nicht nötig gewesen wäre, unser eigenes Angelgerät mitzubringen. Denn eine reichhaltige Kollektion an Ruten samt Zubehör befand sich bereits an Bord. Bald darauf brausten wir mit voller Motorkraft auf den See hinaus, herrliche Landschaften mit schneebedeckten Gipfeln am Ufer zurücklassend. Nach einer etwa viertelstündigen Fahrt drosselte Rob in der Nähe einer felsigen Uferlandschaft den Motor und setzte die Trolling-Ruten aus. Nahezu handlange, silberne Blinker lies er auf eine Tiefe von etwa 20 m hinab, dorthin, wo das Echolot Fische optisch und akustisch anzeigte. Mit verringerter Geschwindigkeit, immer in Ufernähe bleibend, schleppten wir die Köder hinter dem Boot her. Aufmerksam beobachteten wir die gekrümmt vibrierenden Ruten, gespannt auf den ersten Biss wartend. Diese Art von Angelei kam besonders Erwin, dem Angel-Neuling, zugute, da man hierfür keine besonderen Vorkenntnisse und Fertigkeiten brauchte. Zudem war abgesprochen, dass der erste Biss ihm gehören sollte, damit er zu Hause am Stammtisch ein ordentliches Erinnerungsfoto von Fisch und Fänger würde vorweisen können. Und so war es auch er, der, nachdem das plötzliche Aufkreischen einer der beiden weich eingestellten Rollen uns unvermittelt aus unserer konzentrierten Ruhe gerissen hatte, die Rute aus der Halterung nahm und seinen ersten spannenden Drill begann. Viel Schnur gewann er anfangs nicht zurück, denn er drillte zunächst eher zögerlich, während sein starker Kontrahent immer wieder kraftvoll in die Tiefe schoss. Mit einiger Mühe, begleitet von manchen gut gemeinten Zurufen und Ratschlägen , gelang es ihm aber dann schließlich doch, den Fisch in Nähe des Bootes und des Keschers zu bringen. Rob erledigte den Rest, und Erwin hielt glücklich seine prächtige Beute in seinen noch etwas zittrigen Händen. „Petri Heil!“ und „Congratulations!“ erschallte es zu gleicher Zeit. Nachdem die Ruten neu ausgelegt waren, ließ der nächste Biss nicht lange auf sich warten. Nun war die Reihe an mir, den Kampf mit solch einem Gefleckten aufzunehmen. Auch dieser Fisch verfügte über schier unermüdlich Kraftreserven. Aber dann wurden auch seine Fluchten immer kürzer. Ein letzter energischer Zug brachte ihn schließlich an die Oberfläche, und Rob packte ihn gekonnte per Kiemengriff. „Petri Heil!“, hieß es nun auch für mich, während ich meinen herrlich gezeichneten Fang bewunderte. Auch er war um die 80 cm lang und wog etwa 7,5 kg.

Natürlich wusste ich, dass hier noch weitaus größere und schwerere Seesaiblinge zu fangen waren, und natürlich hätten wir hier noch länger weiter fischen könnten, um eventuell einen solchen zu fangen, doch waren wir mit dem Ergebnis unserer Angelei jetzt bereits schon vollauf zufrieden, und nahmen das Angebot unseres Guides zum Lunch und einer Mittagsrast an Land mit Freuden an. In einer windgeschützten Bucht, einem von Robs Lieblingsplätzen für solche Zwecke, bereitete er uns ein warmes Mittagsmahl, bestehend aus Gulaschsuppe, heißen Sandwiches, Kaffe und köstlichen Muffins und Donuts. Es schmeckte herrlich in dieser unberührt wirkenden Natur. Wir hatten übrigens bis dahin auf dem riesigen See weder ein weiteres Boot noch ein Wasserflugzeug gehört oder gesehen. Die Landschaft gehört uns ganz allein, und das sollte sich auch bis zur abendlichen Rückkehr nicht ändern – unbegreiflich für unsere überfüllten Verhältnisse zu Hause!

Nach dem Essen waren wir wieder zu neuen Taten bereit. Rob bot uns ein Hechtfischen an einer seiner Top-Stellen an. Mir aber stand der Sinn nach dem doch etwas groben Trolling-Fischen jetzt eher nach leichter Fliegenfischerei mit der geliebten 5er Rute, zumal unser Guide alternativ dazu von einem wahren Traumplatz für Äschen im Yukon River schwärmt. Allerdings mussten wir dazu zuerst noch die restlichen gut 30 Kilometer des Lake Laberge hinter uns bringen, um dann in den nach Norden hin ausströmenden Fluss zu gelangen. Erwartungsvoll packten wir zusammen und brachen zu dieser Fahrt auf, die uns immer am rechten Seeufer entlang führte. Insgesamt legten wir an diesem Tag – die Rückfahrt  mit eingerechnet – gute 60 Meilen, also rund 100 Kilometer, mit dem Boot zurück. Wieder zogen an den Ufern phantastische Landschaftsbilder in schnellem Tempo  an uns vorüber. Drei große Schutzscheiben, die über die gesamte Bootsfront verteilt waren, wehrten dabei Wind und Spritzwasser ab, so dass die rasante Fahrt relativ gemütlich verlief, von gelegentlich recht harten Schlägen und Stößen des Bootsrumpfes gegen die Wasseroberfläche einmal abgesehen. 

Am rechten nördlichen Ufer des Lake Laberge verlässt der Yukon den See, und schlängelt sich als sogenannter Thirty Mile River bis zu seinem Zusammenfluss mit dem Teslin River. Erst nach der Vereinigung mit diesem trägt er wieder den Namen Yukon River. Während wir auf dem Thirty Mile in Richtung Rob’s Super-Äschenplatz fuhren, drosselte unser Guide plötzlich den Motor und lenkte das Boot in eine kleine Bucht hinein. Hier gab es einen historischen Ort zu bewundern, einen Platz, an dem die nach Dawson fahrenden Raddampfer mit Holz für ihre Heizkessel beladen wurden. Manche von ihnen fuhren auf Sandbänke auf, kenterten oder brannten aus. Die Überbleibsel solcher Schiffskatastrophen sind wie hier, bis heute sichtbar. Kanada ist wegen seiner zeitlich kurzen Historie nicht reich an historischen Schauplätzen, und deswegen wird an solchen Orten gerne eine Gedenktafel errichtet, und es werden die Relikte der damaligen Zeit zur Schau gestellt.

Schon während wir wieder weiter fuhren, ermunterte uns unser Guide, bereits jetzt schon mit der Fischerei auf Äschen zu beginnen. Langsam und dicht am Ufer entlang fahrend, ließ Erwin einen kleinen Spinner durch die klaren, tiefen Gumpen in Ufernähe ziehen. Es dauerte auch nicht lange, bis der ersehnte Ruck durch seine Rute fuhr. Die erste Polaräsche war erbeutet.

Unser Boot nahm wieder Fahrt auf, und nur wenige Minuten später waren wir am Ziel. Es handelte sich dabei um eine kleine baumbestandene Insel, die in Ufernähe kurz vor der Einmündung eines kleinen Nebenflusses lag.

Von ihr aus erstreckte sich ein langer Zug ruhigen Wassers bis dorthin, wo Haupt und Nebenströmung sich trafen und ihre Fluten zu mischen begannen. Deutlich war zu erkennen, wo der gelb-braune Sandgrund des Flachwassers in das grüne Dunkel der Stromtiefe abfiel: ein idealer Standplatz für die begehrten Schuppenträger! Im Nu war die Rute montiert, und die kleine CDC-Fliege auf ihre erste Luft- und Wasserreise geschickt. Um es kurz zu machen: was ich hier in der nächsten Stunde erlebte, wünsche ich jedem Anglerkollegen, der seine Angelleidenschaft einmal so richtig ausleben möchte. Ich fing Fisch auf Fisch, ausnahmslos schöne Polaräschen, die wegen der ihnen eigenen Kampfkraft und der Unterstützung durch die kräftige Strömung des Flusses einen guten Kampf am dünnen 16er Vorfach lieferten. Alle wurden ausnahmslos schonend wieder zurückgesetzt, denn die beiden großen Seesaiblinge, die wir hatten, waren ja an Proviant für uns mehr als genug.

Satt gefischt begab ich mich schließlich dankbar zum Rastplatz auf der Insel, wo Erwin und Rob mich mit frisch gekochtem Kaffee und einigen Köstlichkeiten aus seiner reichlich gefüllten Proviantbox bereits erwarteten. Von hier aus ging der Blick noch einmal über die herrliche Flusslandschaft vor uns. Ein leichter Regen setzte ein und bescherte uns – als wären wir heute noch nicht genug beschenkt worden – einen farbenfrohen Regenbogen. Und als ob es damit immer noch nicht genug wäre, präsentierte sich uns auf der Heimfahrt noch ein stolzer Weißkopfseeadler.

Auf unserer langen Rückfahrt über die Weiten des Lake Laberge hielt Rob in einer stillen Bucht noch einmal an, um unsere Fische fachgerecht für den Verzehr zu filetieren. Später, am Abend in der Hütte verspeisten wir sie, in Butter gebraten, als köstliche Spätmahlzeit.

Zurück in unserer Hütte am Fox Lake, saßen wir noch lange auf der Terrasse beisammen und ließen diesen in vielerlei Hinsicht so reichen Tag noch einmal in Gedanken an uns vorüberziehen. Wir dachten an Rob und all das, was er uns geboten hatte, und wir dachten an die vielen kleinen Abenteuer, die dieser Tag uns hatte erleben lassen. Dankbar schauten wir auf den See hinaus, und genossen die letzten Strahlen der untergehenden Sonne.


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