hws-natour

Exkursion - Reflexion - Kreation

Die Kreuzotter

Wenn die Frühlingssonne den Waldboden erwärmt, Schnee und Eis längst geschmolzen sind, wenn gelb der Huflattich zu blühen beginnt, dann ist die Zeit gekommen, in der die Kreuzottern aus der Winterstarre erwachen und ihre Frühjahrssonnenplätze aufsuchen. Allerdings bedarf es schon eines geübten Auges, um die Tiere im Altgras und Totholzgewirr der sonnenbeschienen Waldlichtungen auch zu entdecken.

Nähert man sich ihnen behutsam und stört sie nicht weiter, kann man sie ganz aus der Nähe betrachten. Sie scheinen einen dann gar nicht zu bemerken. Bei Störungen aber und Gefahr flieht die Schlange sofort in den Schutz der Vegetation. Ein Zubiss erfolgt nur dann, wenn man sie bedroht, sie anfasst oder auf sie tritt. Dabei handelt es sich aber immer um einen sogenannten Verteidigungsbiss, bei dem die Otter nur wenig oder auch gar kein Gift verwendet, da sie den Großteil ihres Giftes ja für die Jagd ihrer Beutetiere braucht. Zwar können solche Bisse Schwellungen im Bissbereich, Übelkeit, Erbrechen, Krämpfe und durch einen eintretenden Schock Kreislaufprobleme hervorrufen, führen aber nicht, wie oft geglaubt, zum Tode. Um einen erwachsenen Menschen wirklich zu töten, wäre die gesamte Giftmenge von circa fünf ausgewachsenen Kreuzottern nötig.

Wie alle Schlangen können auch Kreuzottern ihre Körpertemperatur nicht aktiv durch ihren Stoffwechsel konstant halten, sondern müssen die Strahlungswärme ihrer Umgebung aufnehmen. Um das besser nutzen zu können, ist sie in der Lage, ihren Körper durch Abspreizen der Rippen zu verbreitern, um ihm so eine größere Fläche zur Wärmeaufnahme beim Sonnen zu bieten. Während der Frühjahrsaufwärmung reifen in den Männchen die Spermien, während den Weibchen noch eine längere Zeit für die Eibildung zur Verfügung steht.

Die Grundfärbung der Kreuzotter ist sehr variabel. Sie reicht bei den Männchen von silbergrau über hell-, dunkel- undblaugrau bis hin zu schwarz, während bei den Weibchen verschiedene Braun-, Rot- oder Beigetöne vorherrschen. Kreuzottern erreichen eine Durchschnittslänge von 50 -70, in Ausnahmefällen bis 90 cm, wobei die weiblichen Tiere meistens deutlich länger und stärker als die männlichen sind, die eine Körperlänge von 60 cm in der Regel nicht überschreiten.

Das deutlichste Kennzeichen der Kreuzotter ist ein dunkles Zick-Zack-Band auf dem Rücken. Den hinteren Teil des Kopfes ziert eine V- oder X-förmige Zeichnung, die für ihre Namensgebung verantwortlich ist. Diese auffälligen Merkmale unterscheiden sie eigentlich deutlich sichtbar von anderen Schlangen, wie der Ringel- und der Äskulapnatter. Ein weiteres sicheres Merkmal, um Kreuzottern von harmlosen, heimischen Nattern zu unterscheiden ist die Form ihrer Augen. Während alle ungiftigen Schlangen unserer Heimat eine kreisrunde Pupille haben, ist die der Kreuzotter senkrecht geschlitzt und zudem von einer auffallend roten Iris umgeben. Über dieses Auge schreibt schon im Jahre 1862 der renommierte Schlangenexperte Friedrich Koch: “Es kommt jedoch zu den bereits angegebenen Kennzeichen noch ein weiteres, nämlich, das trotzige, wilde Auge gegenüber dem so sanften, milden Blick der Nattern. Ein feurigeres und trotzigeres Auge als das der Otter habe ich noch bei keinem anderen Tiere gesehen.“ – Übrigens sind die Schuppen auf der Schädelspitze bei jeder Kreuzotter unterschiedlich angeordnet, sodass ihr Muster, ähnlich dem menschlichen Fingerabdruck, zum unverwechselbaren Kennzeichen eines jeden Exemplars wird.

Für die Jagd besitzt die Kreuzotter einen hochwirksamen Giftapparat, der mit einer Injektionsspritze vergleichbar ist. Es existiert als Speicher für das Gift die Giftdrüse, sozusagen die Kanüle, dann die Kiefernmuskulatur als Kolben der Kanüle und schließlich ein röhrenförmiger Giftzahn mit seitlicher Öffnung als Injektionsnadel. Im Ruhezustand sind die Giftzähne nach hinten geklappt und in einer Hautfalte verborgen. Beim Angriff werden sie nach vorne geklappt und durch den Druck des vorschnellenden Vorderkörpers in das Beutetier hinein geschlagen. Das Gift der Kreuzottern ermöglicht zum einen das schnelle Töten der Beute und zum anderen durch die in ihm enthaltenen Enzyme eine bereits beginnende Vorverdauung. Gejagt werden vor allem Mäuse, Frösche, Eidechsen und Blindschleichen. Die Männchen beginnen allerdings erst nach der Frühjahrshäutung und der anschließenden Paarung zu fressen. 

Der Fortpflanzungstrieb veranlasst die Ottern nach der Frühjahrsaufwärmphase zu bestimmten Plätzen zu wandern, an denen sich dann die Paarung vollzieht. Danach ziehen die Männchen zu ihren Sommerlebensräumen, während die Weibchen am Paarungsplatz verbleiben, um dort im Mutterleib die befruchteten Eier auszubrüten und Ende des Sommers die etwa knapp bleistiftgroßen Jungschlangen lebend zu gebären. Mit dem Aufsuchen der Herbstsonnenplätze und anschließend dann der Winterquartiere werden die Jahreswanderungen der Ottern abgeschlossen. 

Die Bedrohungen, denen unsere einzige Giftschlange und Viper in Deutschland ausgesetzt ist, sind vielfältig. Da sind zum einen die natürlichen Fressfeinde, wie Raubvögel, Wildschweine, Fuchs und Dachs, Haus- und Wildkatzen sowie der Igel. Ihr größter Feind ist allerdings der Mensch. In früheren Jahrzehnten wurden viele Populationen durch massenhaftes Töten, das noch von staatlicher Seite durch die Bezahlung von Kopfprämien gefördert wurde, erheblich reduziert. Auch heute werden noch viele Exemplare aus Unkenntnis oder übertriebener Angst getötet. Gefährdungen ihrer Lebensräume stellen ein weiteres Problem für die Bestände der Kreuzotter dar, so die Verbuschung und Aufforstung von Sonnenplätzen oder die Bewirtschaftung und Verbauung von Heideflächen und Waldrandgebieten, dazu die zunehmende Zerschneidung von Wäldern durch Fernstraßen. Den eingeschlossenen Populationen droht die genetische Verarmung und damit langsam das lokale Aussterben. Eben weil diese Art so stark bedroht ist, steht sie in ganz Deutschland unter Naturschutz. Die Tiere dürfen weder getötet noch gefangen werden. Wie alle europäischen Schlangenarten genießt sie darüberhinaus auch innerhalb der EU strengsten Schutz.


Weiter Beitrag

Zurück Beitrag

© 2024 hws-natour

Thema von Anders Norén