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Exkursion - Reflexion - Kreation

Meine hütten im yukon – Teil VI

RUBY RANGE LODGE

Dieses Mal noch tiefer in die Wildnis hinein! – so lautete die Zielsetzung für meinen nunmehr vierten Aufenthalt im Yukon. Die Ruby Range Lodge mit ihrem Slogan „The Yukon beyond the Road!“ – “ Yukon jenseits der Straßen“ und dehalb weitab von jeglicher Zivilisation – schien mir für dieses Vorhaben genau der richtige Ort zu sein. Wie sehr das alles schließlich meinen Wünschen und Träumen entsprach, konnte ich zum Zeitpunkt meiner Planungen und Reisevorbereitungen weder wissen noch ahnen.

Die Anreise aus Deutschland erfolgte von Frankfurt am Main aus mit 9-stündigem Direktflug nach Whitehorse. Von dort ging es, vom Lodge-Besitzer Frank Müller persönlich abgeholt, mit dem Auto auf dem Alaska Highway über Haines Junction nach Destruction Bay am Kluane Lake. Auf der gut vierstündigen Fahrt, während der ich beste Gelegenheit hatte, die mir wunderschöne Einblicke in die Landschaft des Territoriums bot, erzählte mir Frank, wie es dazu gekommen war, dass er hier in Kanada ansässig und schließlich Teilhaber der Ruby-Ranch-Lodge wurde. In Destruction Bay angekommen, wartete sein komfortables Motorboot, das uns in einer knapp zweistündigen Fahrt bis ans Ende des langen, fjordartigen Talbot Arms des gut 70 km langen Kluane Lakes brachte. Vorbei ging es an einer atemberaubenden Gebirgslandschaft bis hin zur Ruby Range Lodge ganz am Ende dieses Seitenarmes des Sees.

Allein schon diese Fahrt dorthin war ein Erlebnis für sich. Eine einzige, allerdings weitraus kostspieligere, Alternative dazu würde der Transport mit dem Wasserflugzeug von Whitehorse aus darstellen.
Die Lodge liegt gut 50 km vom Alaska Higway entfernt, von der Anbindung an die Außenwelt völlig abgeschnitten, eingebettet in die bis zu 2000m hohen Berge der Ruby Range. Rubin-Gebirgszug wohl deshalb genannt, weil seine Gipfel in der Morgensonne in einem rölichem Glanz erstrahlen.

Das Haupthaus der Lodge verfügte über eine gute eingerichtete Küche, einige Schlafräume, ein großes Ess- und ein geräumiges Wohnzimmer, in dem sowohl die Mahlzeiten eingenommen, als auch abends in gemütlicher Runde Erlebnisse und Geschichten vom Leben in der Natur ausgetauscht werden können. Jagd- und Fischtrophäen an den Wänden erzählen von früheren  Jagd- und Fischereierfolgen.

Obwohl das Haupthaus leer und ich zur Zeit der einzige Gast war, sollte ich nicht dort, sondern in einer der separaten Gästehütten in der Nähe des Seeufers wohnen. Ein Umstand, der mir sehr gefiel, da ich ja schon immer gerne für mich alleine in einer Hütte wohnte. Für Wildnisverhältnisse war sie zudem recht komfortabel ausgestattet. Sie bot ein breites Bett zum Schlafen, einen Tisch zum Schreiben und Lesen, ein geräumiges Regal zum Aufbewahren von Kleidung und Sachen sowie einen kleinen, aber sehr viel wohlige Wärme spenden Kaminofen – kurz, der richtige Platz zum Ausspannen und Sich-Wohlfühlen. Ein Badhaus mit Duschen und das notwendige Outhouse standen in Reichweite daneben.

Etwas abseits davon entdeckte ich eine uralte, aber noch völlig intakte Trapperhütte. Niemand kennt ihr Alter, niemand weiß, wer sie einst gebaut hat. War es ein Fallensteller, ein Pelztierjäger, ein Goldgräber? Ihr Inneres ist dank des stabilen, bemoosten Daches trocken und bewohnbar geblieben. Die mit Moos und Flechten in den Ritzen dicht gemachten Holzbalkenwände wehren auch heute noch Wind und Kälte ab. Auf dem Herdplatz steht noch ein alter Wasserkessel. Natürlich beflügelte gerade diese alte Unterkunft eines uns heute unbekannten Wildnisbewohners meine Fantasie. Wer hatte sie erbaut? Wie war es ihm darin ergangen? Welche Freuden hatte er erlebt, welche Leiden darin erlitten? Mit solchen Fragen und ähnlichen Vorstellungen und Gedanken konnte ich in dieser alten Behausung meinem eigenen Traum vom Hüttenleben besonders gut und intensiv nachhängen.

Wildnis pur, unberührte, ursprüngliche Natur umgab die Lodge. Noch halb im morgendlichen Zwielicht versunken, dehnten sich die weiten Uferlandschaften. Dunkelgrüne Nadelwälder bedeckten die Berghänge und zogen sich bis dicht an die Hütten heran. Auf Bergesrücken und Tälern herrschte der Indian Summer mit einem waren Rausch an Farben: rot der von verfärbten Weidenröschen und Zwergweiden bedeckte Boden, strahlend gelb das Laub der Zitter- und Balsampappeln, schwarzgrün dazwischen die schlanken Pyramidensäulen der nordischen Fichten. Schnneeweiß leuchtend ragten die Gipfel der höchsten Berge in einen azurblauen Himmel.

Mit Frank Müller, der als Jäger, Fischer und lizensierter Trapper ein erfahrener Wilsdnisguide ist, fuhr ich zum Fischen auf den See hinaus. Wir stellten zunächst den Namaycush-Saiblingen per Schleppangelei nach. Unsere großen, silbernen, mit je zwei roten Glasaugen bestückten Löffelblinker zogen unweit des Ufers knapp über Grund ihre Bahnen. Es dauerte auch nicht lange, bis sich unter vehementem Rucken und Ziehen in Rute und Schnur der erste Biss ankündigte. Ein prächtiger, knapp 80 cm langer Seesaibling war unsere erste Beute, bald gefolgt von anderen, wenn auch nicht mehr ganz so großen Exemplaren. Dazu muss gesagt werden, dass die ganz großen, die wahrhaft kapitalen, über 50 kg schweren, Exemplare dieser Gattung jetzt bereits die kühleren, sauerstoffreicheren Tiefen des Sees aufgesucht hatten, nachdem sie im Frühjahr kurz nach der Eisschmelze auf Nahrungssuche auch im Uferbereich zu fangen waren. Das aber konnte unsere Freude an den meist prächtig gefärbten, lebhaft gezeichneten Fischen in keinster Weise schmälern. An den Gewässern im Yukon gelten sogenannte Zwischenschonmaße, welche die Entnahmemöglichkeiten der einzelnen Fischarten regeln. So dürfen z.B. Seesaiblinge (indianisch: Namaycush) nur bis zu einer Länge von 65 cm entnommen werden, während die zwischen 65 cm und 100 cm laangen, geschlechtsreifen tabu sind. Ab 100 cm Länge darf ein einzelner als Trophäenfisch behalten werden. Das hat den Sinn, dass laichsreife und damit fortpflanzungsfähige Fische zur Arterhaltung geschont werden. In allen professionellen Angelbooten sind deshalb an der Bootswand Maßbänder angebracht, die das korrekte Einhalten der Schonmaße erleichtern. Während deshalb nur kleinere Exemplare bis zu 65 cm Länge als köstliche Bereicherung unseres Speisezettels bei uns im Boot blieben, kehrten alle größeren Fische wieder unbeschadet in ihr Element zurück.

Nun ging es an mein geliebtes Fliegenfischen. Frank hatte mich vom Boot aus schon auf den Einlauf eines sprudelnd daher fließenden Baches aufmerksam gemachtt, den ich auch vorher schon entdeckt und als wahrscheinlich gutes Äschenrevier eingestuft hatte. Nachdem mein Guide sich am Ufer davon überzeugt hatte, dass keine Bärenpuren zu sehen und deshalb auch wohl keine ihrer Erzeuger in der Nähe waren, ließ er mich hier zurück, um weiter per Boot eventuelle Jagdbeute zu machen. Mit großer Spannung und Vorfreude stellte ich nun mein Gerät zusammen und begann, mit dem zurückgestoppten Wurf die Fliege in der kräftigen Bachströmung abzusetzen. Zunächst tat sich nichts, aber als sie dann bei ständigem Schnurnachfüttern weiter hinaustrieb, kam es zu einem explosionsartigen Aufspritzen im Wasser. Meine erste Polaräsche hatte gebissen Der daraufhin sofort gesetzte Anhieb bildete dann den Auftakt zu einem recht aufregenden Drill. Die Kampfkraft des Fisches stellte die Halzbarkeit der feinen Vorfachspitze gehörig auf die Probe. Bei diesen Kämpfen im Wasser zeigten die Atctic-Graylings ihre ganze Schönheit und Eleganz. Deshalb fiel es mir auch nicht schwer, sie nach gebührender Bewunderung wieder in die Freiheit zu entlassen. Nachdem ich dann schließlich die Freuden meiner Fischwaid genügend genossen hatte, konnte Frank am späten Nachmitag einen höchst zufriedenen Fliegenfischer wieder zur Lodge zurückbringen.

Wie weiße Einsprengseln im grauen Felsgestein, wirkten ganze Herden von Dallschafen, welche die Felswände und Geröllhalden hoch über dem Seeufer bevölkerten. Dabei handelte sich in der Regel lediglich um weibliche und junge Tiere, während sich die kapitalen Widder stets in kleinen Grüppchen abseits von der Herde aufhielten. Ab und zu verließen die Tiere ihre Höhenlagen und stiegen in den schütteren Uferwald hinab, um dort Stellen aufzusuchen, an denen ein Erdrutsch die Boden- und Pflanzendecke abgerissen und so das darunter liegende, mineralreiche Gestein freigelegt hatte – ein idealer Ort für Dallschafe, um ihren Bedarf an Salzen und Mineralien zu decken. Allerdings war der Aufenthalt hier nicht ganz ungefährlich, denn im Schutz von Bäumen und Gestrüpp konnten Beutegreifer, wie Bär und Wolf, auf die ahnungslosen Tiere lauern. Als Beweis dafürentdeckten wir eines Tages auf den Ufersteinen das frische, sauber abgenagte Gerippe eines wohl unvorsichtig gewesenen Dallschafes.

Wilde Tiere waren natürlich auch rund um die Lodge zu beobachten. Täglich suchten Streifenhörnchen und Grauhäher die Hüttenumgebung nach Nahrung ab. Ein Mauswiesel lugte unter einer Hüttenwand hervor, um dann blitzartig wieder in seinem Versteck zu verschwinden. Auf den Tannenwipflen saßen Grauhörnchen, krächzten Kolkraben und ruhten majestätische Weißkopfseeadler. Biber und Trompeterschwäne waren häufig auf dem See zu sehen, und einmal trat auch ein mächtiger Karibubulle aus dem Wald hervor.

Wenn es Abend wurde, saßen wir oft schweigend vor der Hütte, schauten in dem Farbenspiel des Sonnenuntergangs zu und ließen die Ereignisse und Erlebnisse des Tages noch einmal in Gedanken an uns vorüberziehen – voller Dank für all das Schöne und Wunderbare, das die Natur des Yukon uns wieder einmal geschenkt hatte.


Getrieben von der Sehnsucht nach Freiheit, nach Ursprünglichkeit der Natur machte sich Frank Müller auf nach Kanada. Im Yukon-Territorium an der Grenze zu Alaska eröffnete sich ihm eine faszinierende Landschaft von unbeschreiblicher Schönheit. Dies ist seine Geschichte, erzählt in meinem Buch: „LEBENSTRAUM WILDNIS“

Sachbuch 152 Seiten 39 Farbfotos Softcover 14,95 € Medu-Verlag ISBN 978-3-941955-99-8


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